Technologische Prinzipien - corporate
Von der ersten Entwurfszeichnung vor mehr als siebzig Jahren bis heute, von der Designgenehmigung bis zur Wagenlackierung – Tausende Schienenfahrzeuge von Talgo haben eine grundlegende Gemeinsamkeit: ihre technologische Einzigartigkeit.
Talgos höchstes Ziel ist es, Bahnbetreibern weltweit effiziente Produkte zu liefern, die perfekt auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind – und das zu wettbewerbsfähigen Preisen.
Deshalb hat Talgo ein technologisches Paradigma entwickelt, das auf sechs Prinzipien basiert.

#1
Unabhängig drehende und selbstführende Räder
In den letzten 200 Jahren haben praktisch alle Hersteller von Schienenfahrzeugen Systeme verwendet, bei denen beide Räder sich auf einer einzigen Achse befinden und sich daher auf gerader Strecke mit der gleichen Geschwindigkeit drehen. Schienen sind aber nur selten gerade und in einer Kurve legt das innere Rad eine kürzere Strecke zurück als das äußere. Durch die feste Achsenverbindung kann ein Zug daher nie eine perfekte Kurve fahren, da die Spurkränze mit den Schienen in Kontakt kommen.
Um das zu vermeiden, werden seit dem 19. Jahrhundert Räder mit einer leicht konischen Form verwendet. Sie mildern jedoch nur das Problem des übermäßigen Verschleißes und haben zudem auf geraden Strecken einen unerwünschten Nebeneffekt: Die Achsenenden bewegen sich auf den Schienen abwechseln nach oben und unten. Diese so genannte Jagdschwingung erzeugt eine von den Fahrgästen als unangenehm empfundene Seitwärtsbewegung.
Talgos Fahrwerk hat beide Probleme gelöst, indem es die Drehbewegung der Räder voneinander trennt. Dieses System benötigt keine Achsen, sondern Differentiale oder Talgo-Drehgestelle. Es nutzt außerdem ein selbstführendes System, das sicherstellt, dass die Spurkränze immer parallel zu den Schienen sind. Dadurch wird die Fahrt in einer Kurve weicher und erzeugt weniger Reibung. Vor allem aber wird die unangenehme – und manchmal auch gefährliche – Jagdschwingung beim Geradeausfahren eliminiert.
#2
Passive Neigetechnik
Um zu vermeiden, dass die beim Rad-Schiene-Kontakt auf den Wagenkasten wirkenden Schwingungen auf die Fahrgäste übertragen werden, verfügen Schienenfahrzeuge über Federungssysteme. Bei Kurvenfahrten führt eben dieses jedoch dazu, dass sich der Wagenkasten nach außen neigt, was der Reisende als unangenehm empfindet. Zu der zentrifugalen Bewegung, die den Wagenkasten nach außen drückt, kommt noch dessen Neigung hinzu. Das auf dem Innenohr basierende Gleichgewichtsorgan sendet bei einer derartigen Belastung Warnsignale aus, die der Fahrgast häufig als Unwohlsein (Schwindelgefühl) registriert. Darüber hinaus verrutschen Gegenstände, wie Telefone oder Getränke, ruckartig oder fallen um.
Seit der Erfindung der Eisenbahn wurden mehrere Systeme entwickelt, die diesem Problem entgegenwirken sollen. Eine Möglichkeit besteht darin, Kurven zu überhöhen. Dies ist jedoch nur begrenzt möglich und erfordert Eingriffe in die bestehende Infrastruktur. Eine andere Möglichkeit besteht darin, durch eine aktive Steuertechnik den Wagenkasten selbst sich bei Kurvenfahrten in Richtung der Kurveninnenseite neigen zu lassen. Dies ist jedoch mit einer deutlichen Gewichtszunahme und einer höheren technischen Komplexität der Fahrzeugstruktur verbunden.
Das Talgo Pendular System imitiert die Wirkung der Gleisüberhöhung, jedoch ohne die Neigung aktiv forcieren zu müssen. Diese hoch liegende Federungsanordnung führt im Zusammenwirken mit der Wagenkastenaufhängung zu einer Drehung der Wagenkästen um eine virtuelle Drehachse, die oberhalb des Daches liegt. Die bei Kurvenfahrt auftretende Fliehkraft lässt den Wagenkasten nach Bogenaußen pendeln und die auf die Passagiere wirkenden seitlichen Kräfte werden stark reduziert (Prinzip Kettenkarrussel). Dieses Konzept funktioniert gleichzeitig vollkommen selbsttätig: je schneller der Zug fährt, desto stärker erfolgt die Pendelbewegung und umso höher ist die Kompensationswirkung der Querkräfte. Während dies für den Reisenden zu einem angenehmeren Reiseerlebnis beiträgt, erlaubt es dem Verkehrsunternehmen, höhere Geschwindigkeiten zu realisieren.
#3
Leichtere und breitere Wagenkästen
Seit Anbeginn des Eisenbahnbetriebs hat sich die grundlegende Gestaltung von Reisezugwagen nicht wesentlich verändert: sie basiert auf schweren Karosserien, deren Breite und Länge durch Lichtraumprofilanforderungen vorgegeben werden. Die Zahl der Radsätze soll so gering wie möglich sein. Das Lichtraumprofil wird bestimmt durch die Abmessungen von Tunneln und Einschränkungen durch Begegnungen mit anderen Zügen.
Die meisten Hersteller von Schienenfahrzeugen begegnen diesen Herausforderungen, indem sie die Länge ihrer Fahrzeuge zu erhöhen versuchen. Hierdurch kann zwar die Anzahl der Achsen eines Zuges reduziert werden, im Gegenzug werden die Waggons jedoch schwerer und üblicherweise muss eine stählerne Wagenkastenkonstruktion zur Anwendung kommen. Derartig gestaltete Fahrzeuge müssen zudem schmaler sein, um in Kurven, in denen die Wagenenden die Außen- und die Fahrzeugmitte die Innenseite des Gleises überschreiten, die Begrenzungen des Lichtraumprofils einzuhalten.
Das von Talgo entwickelte Konzept ermöglicht es, das Problem anders anzugehen. Durch die Nutzung von Losradfahrwerken und Aluminiumkonstruktionen ist das Fahrzeug etwa 25 % leichter als ein konventioneller Reisezugwagen. Infolge dessen ist auch der Energieverbrauch niedriger, und die Anzahl der Räder ist gegenüber konventionellen Schienenfahrzeugen annähernd halbiert, wodurch wiederum die Notwendigkeit längerer Wagenkästen entfällt.
Hieraus resultiert ein deutlich geringerer betriebsbedingter Verschleiß, was die Instandhaltungskosten an Gleis und Fahrzeug reduziert. Unsere Waggons sind kürzer, aber geräumiger. Auf diese Art können wir uns bei Kurvenfahrten besser an die Infrastruktur anpassen und gleichzeitig die Innenraumkapazität erhöhen.
#4
Durchgängige Niederflurigkeit
Durch die hohen Anforderungen an die Stabilität der Fahrwerke müssen die Konstrukteure der meisten Reisez ugfahrzeuge Federungssysteme entwickeln, bei denen die Wagenkästen sich mehr als einen Meter über Schienenoberkante befinden. In der Folge liegt die Bodenhöhe der Waggons oberhalb der Bahnsteighöhe.
Infolge dessen sind Reisende wie schon vor 100 Jahren beim Ein- und Aussteigen in einen Zug gezwungen, ein oder mehrere Stufen zu erklimmen. Barrierefreiheit wird hierdurch erschwert und Menschen mit eingeschränkter Mobilität können nicht selbstständig bahnfahren. Bei unserem Fahrwerkskonzept entspricht das Einstiegsniveau bei allen Türen der Bahnsteigehöhe und der Zug kann ohne Hindernisse bestiegen werden.
Talgo ist weltweit der einzige Hersteller, dessen Fahrzeuge es jedem - auch Menschen mit eingeschränkter Mobilität - ermöglichen, selbständig einzusteigen und sich im gesamten Fahrgastbereich des Zuges stufenfrei zu bewegen. Zudem erfolgt der Fahrgastwechsel beim Ein- und Aussteigen flüssiger, wodurch die Haltezeit am Bahnsteig um rund 20 % reduziert werden kann. Für den Betreiber bedeutet dies, Kapazitäten in den Verbindungen mit hoher Auslastung optimal auszunutzen und die Frequenz seiner Züge zu erhöhen.
#5
Spurweitenwechsel
Bei der Planung und dem Bau einer Eisenbahnstrecke im 19. Jahrhundert war einer der ersten zu definierenden Parameter die Spurweite, damit Züge problemlos von einer Strecke auf die andere wechseln konnten. Der britische Standard wurde in weiten Teilen des Westens übernommen, kam jedoch nicht überall zur Anwendung. Zwei Jahrhunderte später können die meisten Betreiber nach wie vor keine durchgehenden Verbindungen von Strecken mit unterschiedlichen Spurweiten anbieten.
Diese Hindernisse sind häufig an Ländergrenzen zu finden. In einigen Staaten gibt es jedoch inhomogene Netze, so wie in Spanien, wo eine solche unsichtbare Grenze mitten im Land selbst existiert. Um diese Barrieren zu überwinden, muss entweder die gesamte Infrastruktur zu astronomischen Kosten angepasst werden, oder aber es werden Züge mit automatischem Spurweitenwechsel eingesetzt.
Talgo ist nicht nur der weltweit erste Hersteller, der ein solches Spurwechselsystem entwickelt hat, die Technologie wird auch seit Jahren und täglich bei Hunderten von Zügen genutzt. Der Umspurvorgang erfolgt während der Fahrt bei ca. 15 km/h. Das System ist nicht nur einfach und robust, sondern auch reversibel und automatisch: Beim Passieren der Umspuranlage – egal, in welcher Fahrtrichtung – wird das Fahrwerk entlastet, jedes Rad wird entriegelt und mitsamt der Halbachse in seine neue Position verschoben. Danach wird das Rad wieder verriegelt, der Radsatz wird wieder belastet und der Zug setzt seine Fahrt fort.
#6
Gliederzugbauweise
Die meisten Züge bestehen aus aneinander gekuppelten Einzelfahrzeugen, die von einer Lokomotive gezogen oder geschoben werden. Jedes dieser Fahrzeuge verfügt über ihm zugeordnete Radsätze, meist in Drehgestellen montiert.
Dieses konventionelle Konzept ist nach wie vor weit verbreitet und insbesondere im Güterverkehr auch das geeignetste. Bei Reisezügen angewandt, ist es jedoch nicht sonderlich effizient, insbesondere für Betreiber, die Fahrgäste kostengünstig transportieren möchten. Deshalb fertigt Talgo nur Züge in Gliederzugbauweise.
Der Unterschied ist leicht erkennbar: betrachtet man die Verbindung zweier benachbarter Talgo-Wagen, fällt auf, dass ein Fahrwerk sich genau zwischen zwei Fahrzeugen befindet. Der Zug ist somit nicht mehr nur die Summe seiner verschiedenen Komponenten, sondern verhält sich wie ein durchgängiges Fahrzeug. Dies führt zu einer verbesserten Fahrdynamik und damit zu niedrigeren Betriebskosten und größerer Sicherheit.